Quellen:
- Statistische Bundesamt: Europa - Immer mehr Menschen kaufen online https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Wissenschaft-Technologie-digitaleGesellschaft/Online_Shopping.html
- UEFA.com: AliExpress neuer Partner der UEFA EURO 2024 https://de.uefa.com/news-media/news/028b-1a827870fcdd-7ab8d7431170-1000--aliexpress-neuer-partner-der-uefa-euro-2024/
- DieDaOben! Instagram Umfrage Quelle: Instagram-Umfrage
- WirtschaftsWoche: Temu und Shein: Millionen Päckchen setzen den Zoll Schachmatt https://www.wiwo.de/my/unternehmen/handel/chinas-shopping-apps-temu-und-shein-millionen-paeckchen-setzen-den-zoll-schachmatt/29809026.html
- DasErste: Plusminus - Temu: So nutzt die chinesische Plattform Steuerlücken aus https://www.ardmediathek.de/video/plusminus/temu-so-nutzt-die-chinesische-plattform-steuerluecken-aus/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3BsdXNtaW51cy9hNTMzMzZlYi04NjViLTQ4MTEtYmExYy0zNzM4OTRhMTg4YjU
- Spiegel: Beliebte Shopping-Apps - Zollfreistellung für Billigimporte aus China soll fallen https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/temu-shein-aliexpress-zollfreistellung-fuer-billigimporte-aus-china-soll-fallen-a-56166efc-9445-41a6-a39f-2dd080920203
- DasDIng: ONLINE-SHOPPING - TEMU & SHEIN: SO VIELE PAKETE VERSCHICKEN SIE WIRKLICH https://www.dasding.de/newszone/shein-temu-wachstum-frachtraten-rekord-100.html
- zdfheute: Finanzlücke beim Bund - Lindner: Es fehlen 17 Milliarden Euro https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/lindner-haushalt-ampel-was-nun-100.html
- Koaltionsvertrag von SPD, Grüne, FDP, 2021 Quelle: Koalitionsvertrag
- Rose & Partner: Strafe und Strafmaß bei Steuerhinterziehung https://www.rosepartner.de/steuerberatung/strafmass-bei-steuerhinterziehung.html#:~:text=1.,hinterzogenen%20Steuern%20eine%20entscheidende%20Rolle.
- Fromm Rechtsanwalt: Wie hoch ist die Strafe bei Steuerhinterziehung? https://www.frankfromm.de/wie-hoch-ist-die-strafe-bei-steuerhinterziehung/
- Tagesschau: Umsatzsteuer und Gebühren - Wie Onlinehändler aus China den Zoll austricksen https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/temu-pakete-zoll-steuern-100.html
- WirtschaftsWoche: E-COMMERCE - So verstopft Billig-Ware von Temu und Shein den Luftfracht-Markt https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/e-commerce-so-verstopft-billig-ware-von-temu-und-shein-den-luftfracht-markt/29666086.html
- Stellungnahme der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft Quelle: Email Stellungnahme von BDZ
- Spiegel: Kapazitäten nahezu ausgebucht - Wie Shein und Temu die Luftfracht kapern https://www.spiegel.de/wirtschaft/temu-und-shein-so-kapern-die-billigriesen-die-luftfracht-a-a1f8d723-3b41-4ffb-b6ea-ab1587e717ad
- Utopia: 5000 Tonnen gehen täglich ins Ausland - Der Wahnsinn hinter Shein und Temu https://www.bild.de/news/ausland/news-ausland/china-ramsch-von-temu-und-shein-sorgen-fuer-fracht-chaos-in-deutschland-87254610.bild.html
- "BILD: 400 000 Pakete täglich nach Deutschland - Temu und Shein verstopfen Flugrouten" https://utopia.de/news/5000-tonnen-gehen-taeglich-ins-ausland-der-wahnsinn-hinter-shein-und-temu/
- DasDing: ONLINE-SHOPPING - TEMU IST DAS BILLIGERE AMAZON AUS CHINA - ACHTUNG BEIM SHOPPEN! https://www.dasding.de/newszone/temu-app-online-shopping-china-100.html#:~:text=Gegr%C3%BCndet%20wurde%20die%20chinesische%20Plattform,Jeans%20f%C3%BCr%2013%2C17%20Euro.
- Zoll: Sendungen mit geringem Wert https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/Zollbefreiungen/Aussertarifliche-Zollbefreiung/Sendungen-mit-geringem-Wert/sendungen-mit-geringem-wert_node.html
- Chip: Druck wächst: Pläne der EU könnten Temu und Shein kaputtmachen https://www.chip.de/news/Deutsche-Regierung-macht-Druck-Das-koennte-das-Ende-von-Temu-werden_185291425.html
- EU Parliament: First vote on the biggest EU customs reform since 1968 https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20240219IPR17819/first-vote-on-the-biggest-eu-customs-reform-since-1968
- EU Commission: Questions and Answers: EU Customs Reform https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_23_2644
- IHK: E-Commerce-Richtlinie: OSS (One-Stop-Shop) und IOSS (Import-One-Stop-Shop) https://www.ihk-muenchen.de/de/Service/Recht-und-Steuern/Steuerrecht/Umsatzsteuer/OSS-(One-Stop-Shop)-und-IOSS-(Import-One-Stop-Shop)/
- Deutsche Steuer Gewerkschaft: Was ist IOSS? | Wir erklären stärken und Schwächen – YouTube Quelle: Florian Köbler, https://www.youtube.com/watch?v=BG6K_S_GYL8
- EU Kommission: EU-Zollreform soll Zollverfahren moderner und effizienter machen https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-zollreform-soll-zollverfahren-moderner-und-effizienter-machen-2023-05-17_de
- RND: Zollbefreiung soll gekippt werden - EU-Zollreform: Was sich für Verbraucher ändern könnte https://www.rnd.de/wirtschaft/eu-zollreform-was-sich-fuer-verbraucher-aendern-koennte-UUZCR3WX2FEB5I3LHG7YSYJOEY.html
- Stellungnahmen des Bundestagsabgeordneten Fritz Güntzler an die Redaktion
- Stellungnahmen des Bundestagsabgeordneten Jens Zimmermann an die Redaktion
- Merkur.de: „Persönliche Mission“: Lindner will Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit bekämpfen https://www.merkur.de/politik/persoenliche-mission-lindner-will-steuerhinterziehung-und-schwarzarbeit-bekaempfen-91154075.html
- Stellungnahme des Bundesfinanzministerium an die Redaktion
Stellungnahmen:
Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums:
1) Wie hoch ist der jährlich durch Betrug bei Zoll und Steuern entstehende Schaden für Deutschland?
Die Bekämpfung betrügerischer Aktivitäten im grenzüberschreitenden Handel bildet einen Arbeitsschwerpunkt des Bundesministeriums der Finanzen und seiner nachgeordneten Behörden, die in einem regelmäßigen Austausch mit den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union stehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass konkrete Zahlen nicht genannt werden können.
Die Datenbasis für eine Studie, nach welcher bei rund 65 Prozent der Pakete der Wert zu niedrig angegeben sein könnte, ist acht (8) Jahre alt und stammt aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der heute gültigen Regelungen. Seitdem müssen für alle Sendungen, unabhängig von ihrem Wert, Zollanmeldungen abgegeben werden. Auf dieser Grundlage werden alle eingehenden Sendungen in angemessener Weise risikoorientiert kontrolliert.
2) Was unternimmt das Finanzministerium gegen Zoll- und Steuerbetrug durch chinesische Plattformen wie z.B. Temu?
Wir bitten um Verständnis, dass sich das Bundesministerium der Finanzen aus Gründen des Steuer- und Zollgeheimnisses zu einzelnen Unternehmen generell nicht äußert.
Bei falschen oder unterlassenen Angaben gegenüber Finanzbehörden (z.B. durch eine Unterfakturierung) kann eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO vorliegen. Die jeweiligen Straf- oder Bußgeldrahmen umfassen neben Freiheitsstrafen auch Geldbußen.
In der Praxis begegnet die deutsche Zollverwaltung den veränderten Gegebenheiten im Online-Handel mit risikoorientieren Kontrollen, einem IT-Verfahren speziell für die Abfertigung von Sendungen mit eher geringem Wert und letztlich mit einem flexiblen Personaleinsatz bei Verdachtsmomenten - dennoch kann der Zoll nicht 100% der von deutschen Konsumenten in China bestellten Päckchen kontrollieren. Hier müssen wir auch an den emanzipierten Bürger appellieren, der einschätzen kann, was und wo er bestellt.
3) Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es für Deutschland, um das Problem in den Griff zu bekommen? Warum kann Deutschland nicht besser eingreifen?
Ein Großteil der für Deutschland bestimmten Produkte von chinesischen Verkäufern wird aktuell gar nicht nach Deutschland geliefert. Die Abfertigung zur Einfuhr erfolgt in anderen Mitgliedstaaten der EU. Anschließend werden die Waren erst an die Empfänger in Deutschland weitergeleitet. Sobald die Ware sich in der EU befindet, ist sie zum freien Verkehr zugelassen. Das bedeutet, dass eine zollamtliche Überwachung solcher Lieferungen in DEU ist nach EU-Recht unzulässig ist. Daher verspricht nur ein gesamteuropäischer Ansatz Aussicht auf Erfolg.
4) SPD-Politiker Bartz forderte die EU-Kommission nun auf, die Einführung von Zöllen auf Waren unter 150 Euro auf 2025 vorzuziehen. Unterstützt das das Bundesfinanzministerium? Wieso wurde diese Forderung nicht schon früher vom BMF gestellt?
5) SPD-Abgeordneter Jens Zimmermann kritisierte die hinhaltende Haltung des Finanzministeriums angesichts der Steuer- und Zollschäden in Milliardenhöhe. CDU-Steuerexperte Fritz Güntzler sprach von eine „völligen Hilflosigkeit“ der Bundesregierung und spricht von einer „Kapitulation“ gegenüber den chinesischen Problemplattformen Temu und Shein. Wieso wird nicht mehr unternommen?
Forderungen aus dem politischen Raum kommentieren wir nicht.
Das Bundesministerium der Finanzen setzt sich für faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt ein. Aus diesem Grund werden wir insbesondere auch mit unseren jeweiligen Ansprechpartnern auf nationaler und europäischer Ebene weiter erörtern, wie bspw. im Zusammenspiel der zuständigen Akteure ein effektiver Schutz des Binnenmarktes erreicht werden kann.
Hierzu gehören auch die Verhandlungen zur EU-Zollreform, in die sich das Bundesministerium der Finanzen seit Beginn intensiv einbringt und die einzelnen Bestandteile des Vorschlags aktiv mit den anderen EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und Vertretern der deutschen Wirtschaft bespricht. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Regelungen zur Reform der EU-Zollunion sind jedoch Teil eines umfassenden und sehr komplexen Pakets, dessen Einzelheiten Gegenstand intensiver Diskussionen sein werden. Die Umsetzung wird - auch nach den Plänen der Kommission - noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Dazu gehört auch die Frage, ob die Abschaffung der 150 Euro-Freigrenze für Zölle das Mittel der Wahl zur Bekämpfung von Steuer- und Zollbetrug ist. Letztlich geht es um die Wettbewerbsfähigkeit des in der EU, in Deutschland ansässigen Handels..
Für den Bereich des Europäischen Binnenmarktes bzw. der Europäischen Wirtschaftspolitik ist in der Bundesregierung außerdem das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz federführend zuständig.
6) Finanzminister Christian Lindner hat in der Debatte um Strafzölle für chinesische Produkte vor einem Handelskrieg gewarnt (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handel-lindner-1.7330125). Unternimmt das Bundesfinanzministerium nicht mehr gegen den Steuer- und Zollbetrug, um den Handel mit China nicht noch weiter zu gefährden?
Zu den Maßnahmen zur Bekämpfung betrügerischen Handelns im gewerblichen Warenverkehr haben wir uns in den Fragen 1 bis 5 geäußert.
Mit freundlichen Grüßen
Nodjinan Nimindé-Dundadengar
Stellungnahme des CDU-Abgeordneten Fritz Güntzler:
„Die Bundesregierung legt die Hände in den Schoß und wartet darauf, dass die EU das Problem schon lösen wird. Bis zum Jahr 2028 können wir aber nicht warten. Bis dahin entgehen dem Staat milliardenschwere Steuereinnahmen. Steuereinnahmen, die wir in der gegenwärtigen Haushaltssituation dringend brauchen. Wie sollen wir diese Verluste ausgleichen? Es kann nicht sein, dass wir von unseren Bürgern jeden Cent Steuer einbehalten und dafür milliardenschwere Konzerne aus China mit ihrem Steuerbetrug gewähren lassen.
Hinzu kommt, dass diese Unternehmen bei Ihren Produkten keinerlei Rücksicht auf europäische Standards nehmen. In Europa unterliegen Unternehmen hohen Auflagen, was etwa Produktsicherheit und Markenrechte anbelangt. Diese chinesischen Unternehmen nehmen keinerlei Rücksicht auf unsere Standards und spülen den Markt mit teilweise gesundheitsschädlicher Billigware. Das ist auch unseren heimischen Unternehmern gegenüber nicht fair.
Ein erster Schritt wäre die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 €. Somit würde jede einzelne Sendung verzollt werden. Der nächste Schritt ist eine stärkere Zusammenarbeit auf EU-Ebene. Ein großes Problem besteht darin, dass der Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten nicht weit genug geht. Bei Verstößen und zahlreichen Betrugsversuchen bei Zoll und Umsatzsteuer müssen für diese Unternehmen letztlich auch Sanktionsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden."
Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Petra Mayer
Stellungnahme des SPD-Abgeordneten Jens Zimmermann:
"Aus meiner Sicht verstoßen Plattformen wie Temu und Shein wissentlich gegen verschiedene europäische und nationale Gesetze.
Daher bin ich überzeugt, dass ein entschiedenes Einschreiten gegen chinesische Produktplattformen dringend geboten ist - sowohl regulativer als auch vor allem in der Durchsetzung bestehender Regeln. Es ist nicht haltbar, dass unsichere oder gar illegale Produkte den europäischen und deutschen Markt fluten. Wir müssen unsere Zollkapazitäten stärken, um zollrechtliche Falschdeklarationen zu erkennen, die Produkte zu prüfen und entsprechende Verstöße zu sanktionieren. Das klare Vorgehen der Bundesnetzagentur, die explizit für das Thema Produktsicherheit zuständig ist, unterstütze ich ausdrücklich.
Darüber hinaus sollte die EU-Kommission prüfen, die Abschaffung der 150-Euro-Zollgrenze, die derzeit für 2028 geplant ist, schon früher umzusetzen, um mutmaßliche Steuerumgehungen der Plattformen zu verhindern.
Insbesondere das Bundesfinanzministerium muss auf europäischer Ebene für eine schnelle Anpassung der Zollgrenzen sorgen. Darüber hinaus erwarte ich, dass der Zoll angewiesen wird verstärkt die Pakete zu kontrollieren. Wenn Schätzungen zutreffen, dass bis zu zwei Drittel aller Pakete falsch deklariert sind, dürfen diese nicht einfach durchgewunken werden, "weil es so viele sind". Die Verantwortung liegt hier eindeutig bei den Plattformen. Wenn diese nicht dafür sorgen, dass Pakete in der Regel richtig deklariert sind, fordere ich vom Zoll eine vollständige Kontrolle aller Pakete, die zweifelsfrei entstehenden Verzögerung können kein Argument sein, weiter sehenden Auges diese Verstöße de facto zu dulden.
Ein wichtiges Einfallstor für häufig per Luftfracht direkt aus China exportierten Waren stellt der Weltpostvertrag dar, der China eine inzwischen nicht mehr haltbare Privilegierung einräumt, die massiv genutzt wird. Auch hier braucht es schnellstmöglich eine Reform.
Auch alarmiert mich die Intransparenz der Plattformen zur Nutzung der Verbraucher*innen-Daten und algorithmischen Systeme zur Kaufbeeinflussung. Die Schutzvorgaben der DSGVO werden offensichtlich vollständig ignoriert.
Insgesamt bleiben viele Fragen hinsichtlich der Erfüllung europäischer Regulierung bleiben offen. Besonders problematisch ist der Umstand, dass der Anbieter Temu sich bisher nicht als "Very Large Online Plattform" der europäischen Aufsicht im Rahmen des Digital Services Act (DSA) unterwirft, obwohl es offensichtlich die Nutzendengrenze von 45 Millionen massiv überschritten hat.
Ich fordere daher die Kommission auf, gemeinsam mit dem irischen Digital Service Coordinator schnell zu handeln. Die Durchsetzung des DSA muss der Hebel zur Transparenz sein - auch, um die angebotenen Produkte überhaupt zurückzuverfolgen.
Es ist gut, dass Verbrauchergruppen zahlreicher EU-Länder Beschwerde gegen Temu bei der EU-Kommission eingereicht haben."
Stellungnahme der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ:
In dem Artikel der WirtschaftsWoche wird Thomas Liebel zitiert: „Der Dienstbetrieb beim Zoll ist akut gefährdet“ und „Aktuell sind wir nur bedingt einsatzbereit.“ Was bedeutet das genau? Was sind die Ursachen? Was wird benötigt, dass sich die Situation verbessert?
Der Dienstbetrieb beim Zoll ist aufgrund der aktuellen Haushaltslage und des damit verbundenen Sparkurses in verschiedenen Bereichen der Zollverwaltung gefährdet. Die Zollabfertigung an den großen Warenumschlagplätzen der Flug- und Seehäfen sieht sich infolge des E-Commerce-Boom mit einem exorbitant gestiegenen Volumen an Einfuhren konfrontiert: 170 Mio. (2023), 149 Mio. (2022), 103 Mio. (2021), 79,8 Mio.(2020). Die personelle Ausstattung hat sich angesichts rund 100 Millionen zusätzlicher Paketsendungen aber kaum verbessert. Nicht nur die Zollgewerkschaft BDZ, sondern auch die Generalzolldirektion hatte bereits für den Bundeshaushalt 2022 auf einen vierstelligen Personalmehrbedarf hingewiesen, jedoch wurden davon nur 50 zusätzliche Planstellen in den Haushalt eingebracht.
Eine weitere Folge der Einsparungen beim Zoll betrifft die Ausgaben für IT, die im Jahr 2024 um rund 150 Millionen bzw. 40 Prozent gekürzt wurden (ursprünglicher angemeldeter Bedarf der Zollverwaltung: 363 Millionen Euro). Dies betrifft die IT für die Kriminaltechnik bei der Zollfahndung, aber auch die Erneuerung der Software in den Zollämtern zur Bewältigung der Paketflut. Die Arbeitsabläufe in vielen Zolldienststellen sind nicht digitalisiert, teilweise müssen große Datenmengen aus Zollanmeldungen der Paket- und Kurierdienstleister noch papierbasiert und mit Excel-Listen händisch verarbeitet werden. Notwendige Schnittstellen zu Datenbanken der Unternehmen fehlen. Ebenfalls wurde der Haushaltsposten für den Erwerb von Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen stark gekürzt (von 98 Mio. € auf 40 Mio. €). Dies verhindert die Neu- bzw. Ersatzbeschaffung mobiler Röntgenanlagen bzw. Röntgenfahrzeuge (sog. ScanVans), die bei der Kontrolle von Paketen eingesetzt werden können.
Die Arbeitsbedingungen in vielen Zollämtern sind schlecht und erschweren die Nachwuchsgewinnung in den Zollämtern, die oft einen hohen Altersdurchschnitt haben, enorm. Dies ist auch auf die Belastungen durch den Schichtdienst und die häufige Unterbringung in sehr maroden Dienstgebäuden zurückzuführen. Aus internen Unterlagen des Zolls geht beispielsweise hervor, dass die Mieten für Liegenschaften bereits in dieser Jahreshälfte nicht mehr beglichen werden können. Für „Mieten und Pachten“ hatte die Behörde 252 Millionen Euro als Bedarf angemeldet, doch der Haushalt enthält nur 180 Millionen Euro. Das heißt: Nicht nur können baufällige Bestandsbauten nicht saniert werden, sondern auch Investitionen in Neuunterbringung oder Neuanschaffung nötiger Ausrüstung bleiben aus. Denn alle dafür ursprünglich vorgesehenen Sachmittel werden zur Finanzierung des laufenden Betriebs ausgegeben.
Laut Schätzung der EU-Kommission wurden bereits 2023 bis zu 65 Prozent der als zollfrei in die EU eingeführten Waren mit einem zu niedrigen Wert angemeldet, um Zollgebühren und Umsatzsteuer bei der Einfuhr zu umgehen. Gibt es hierzu noch weitere Informationen? Kann zum Beispiel der dadurch entstehende Schaden genau beziffert werden?
Ein genauer Wert der durch Unterdeklarierung entgangenen Abgaben kann nicht genannt werden bzw. ist uns nicht bekannt. Eine statistische Erfassung wäre wohl aufgrund der Dunkelziffer (wie viele Sendungen wurden fälschlicherweise mit zu geringem Wert angemeldet) auch kaum machbar, zumal dies auch eine realistische Schätzung des echten (nicht im Rechnungswert angegebenen) Warenwerts voraussetzt. Wenn die Schätzung der EU-Kommission zutreffend sein sollte, ist allgemein gesprochen aber ein Steuerschaden im MIlliardenbereich – wie in der öffentlichen bzw. politischen Diskussion behauptet – nicht unrealistisch. Dies zeigen die bundesdeutschen Zahlen der Einfuhren und der erhobenen Einfuhrumsatzsteuer:
Von den vom Zoll im Jahr 2023 vereinnahmte Abgaben in Höhe von rund 158 Mrd. € (das sind etwa die Hälfte der dem Bund zufließenden Steuern) entfielen 78 Mrd. € auf die Einfuhrumsatzsteuer, die damit den größten Posten ausmacht. Dieser Wert betrug noch im Jahr 2021 nur 63 Mrd. €.
Der Wert aller zur Einfuhr abgefertigten Waren lag im Jahr 2023 bei 642 Mrd. € und im Jahr 2021 noch bei 566 Mrd. €. In diesem Zeitraum ist allerdings die Anzahl der zur Einfuhr abgefertigten Sendungen deutlich stärker, von 103,4 Mio. auf 170,6 Mio., angestiegen. Dies unterstreicht den steigenden Anteil an Kleinsendungen bedingt durch den E-Commerce. Denn von diesen 170 Mio. Sendungen waren 55,5 Millionen Kleinsendungen mit geringem Warenwert bis zu 150 Euro, die mit der Fachanwendung ATLAS-IMPOST (Importabfertigung von Post- und Kuriersendungen) abgewickelt wurden.
Neben den Problemen bei der Prüfung der korrekten Steuererhebung, darf die Überwachung des Warenverkehrs beim Eingang in die EU mit Blick auf die Produktsicherheit und den Verbraucherschutz nicht außen den Augen verloren werden. Mit dem zunehmenden Online-Handel wird der europäische Markt mit Waren überschwemmt, die nicht allen Standards der EU entsprechen. Dies gilt es im Rahmen der zollamtlichen Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs ebenfalls zu prüfen, um die Menschen vor gesundheitlichen Risiken zu schützen. In der Vergangenheit wurden immer wieder z.B. krebserregende Stoffe in Spielzeug entdeckt oder verschiedene Elektronikartikel, die eine gefälschte CE-Kennzeichnung hatten. Das Versenden zerlegter Artikel in mehreren Teilsendungen kann auch dazu genutzt werden, verbotene Waren einzuschmuggeln (Beispiel: Plastikteile aus dem 3D-Drucker für den Bau einer Handfeuerwaffe).
Was müsste die Regierung / das Bundesfinanzministerium dagegen unternehmen?
Die Bundesregierung müsste zunächst für deutlich mehr Kontrollpersonal bei den Zollbehörden der Mitgliedsstaaten sorgen (d.h. in Deutschland konkret: Zollbeamte/innen an den Zollämtern der großen Frachtflughäfen wie Leipzig, Frankfurt, Köln). Dadurch könnte der Anteil an Warensendungen, der im Rahmen einer Stichprobenkontrolle der sog. Beschau unterzogen werden, deutlich erhöht werden. Dies würde den Kontrolldruck auf die Billiganbieter erhöhen. Aus Sicht der Deutschen Zollgewerkschaft BDZ sind hierfür mindestens 1200 mehr Zollbeamtinnen und Zollbeamte nötig.
Hilfreich wäre zudem ein vollautomatisiertes System der digitalen Zollabfertigung, das auch unter Einsatz von KI risikobehaftete Sendungen schneller und besser identifiziert. Das heißt: Unter der Masse an Paketen könnten diejenigen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit unterdeklariert (Warenwert zu niedrig angegeben) sind, gezielter zur Kontrolle herausgefiltert werden. Das wäre möglich, wenn der Zoll große Datenmengen anhand bestimmter Risikoparameter analysiert könnte (z.B. Herkunftsland, Bestimmungsort, Lieferrouten, Produktarten, Rechnungswert), die infolge der Erkenntnisse aus Stichprobenkontrollen stetig optimiert werden. Dieses System muss auch mit den Datenbanken anderer EU-Staaten verknüpft sein. Das ist heute nicht der Fall. Aktuell müssen viele Daten von Paket- und Kurierdienstleistern noch in Papierform von Zollbeamten erfasst werden. In der elektronisch übermittelten Zollanmeldung der Importeure sind längst nicht alle Informationen enthalten, die für eine umfassende Risikoanalyse nötig wären.
Die Vernetzung der Zoll- und Steuerbehörden in der EU muss generell weiter ausgebaut werden. Problematisch ist insbesondere die Anzahl der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) beteiligten Behörden. Um die Einfuhrumsatzsteuer zu hinterziehen, nutzen die Anbieter offenbar gezielt Lücken des EU-Rechts aus, das ein vereinfachtes Einfuhrverfahren (Import One Stop Shop = IOSS) für Waren von geringem Wert ermöglicht. Durch das IOSS-Verfahren können Waren vom Importeur bei der Steuerverwaltung in einem EU-Mitgliedstaat mit einem zu fälschlicherweise zu geringen Wert angemeldet werden, die tatsächliche Einfuhr kann jedoch in einem anderen Mitgliedstaat erfolgen. Aufgrund der fehlenden Verknüpfung der Datenbanken der Zoll- und Steuerbehörden innerhalb der EU wird der Abgabenbetrug oft nicht festgestellt, da die eigentliche Ware nicht physisch kontrolliert wird. Hier kommt das bestehende EU-Zollrecht, das in erster Linie für Einfuhren größerere Sendungen im gewerblichen Warenverkehr konzipiert ist, an seine Grenzen.
Außerdem sehen wir die Bundesregierung und die EU-Kommission in der Pflicht, sich für stärkere Mitwirkungspflichten der asiatischen Hauptexportländer bereits am Ort der Ausfuhr einzusetzen. Solche Kooperationen, die auf ein zweistufiges Kontrollsystem hinauslaufen, sind im Rahmen internationaler Wirtschaftsbeziehungen nicht unüblich. Auch müssen auf dieser Ebene Vorkehrungen getroffen werden, dass Exportregeln von den beteiligten Unternehmen nicht so einfach über den Versand über Drittstaaten umgangen werden können (z.B. Versand von Vietnam aus, um chinesische Export-Regeln zu umgehen).
